David: Schön, dass ihr hier seid!
Oskar: Schön, dass wir hier sein dürfen!
David: Heute Abend ist hier die große Lehm-Laden Party, die erste, und ich freue mich riesig, dass ihr dabei seid. Ihr habt ja aus Oberbayern kommend eine ewig lange Fahrt auf euch genommen. Wo und wie arbeitet ihr? Welche Arbeit macht ihr am Liebsten?
Hermann: Am liebsten natürlich Lehmputz. Das muss nicht zwingend in nächster Umgebung sein, hauptsache der Kunde ist in Ordnung und wir haben einen schönen Lehmputzauftrag. Wir fahren gern weiter.
D: Was ist für Dich ein schöner Lehmputzauftrag? Viel Masse oder schöne Oberflächen?
O: Ja, etwas, dass auch fordert.
H: Also ja, Masse und natürlich hohe Qualität. Ob klein oder groß, die Qualität muss immer stimmen. Der Vorteil von den großen Baustellen ist, dass man weniger Rüstzeiten hat, d. h. dass man nicht einen Raum verputzt und dann wieder abbricht, woanders verputzt. Aber kleinere Aufträge können auch interessant sein. Die Mischung macht's eigentlich.
D: Ja, und Oskar, Du hast gesagt, die Arbeit soll Euch fordern. Was meinst Du damit?
O: Es macht schon Spaß, mal was kleines zu machen, was jetzt nicht sonderlich fordert, wo man den Kopf auch mal ausschalten kann. Aber wenn es dann so ins Detail reingeht, das macht schon Spaß, das fordert. Besonders gern machen wir Edelputz. Wir haben die Yosima Lehm-Designputze immer in ganzen Big Bags vor Ort und mischen auch für unsere Kunden den Farbton individuell an.D: Plant ihr denn auch mit? Oder kommt ihr hin und der:die Architekt:in hat alles vorbereitet und ihr führt nur aus? Oder inwieweit dürft ihr noch mitreden?
H: Im Großen und Ganzen ist es ein Gemisch. Die halbe Zeit haben wir die Architekt:innen, die ihre Vorgaben machen, die andere Hälfte ist die Beratung von uns, wie man das dann umsetzt oder aufzieht. Wir haben oft Kunden, die Lehmputzer:innen suchen, die zwar andere hätten, aber speziell Lehmputzer:innen wollen. Zum Beispiel haben wir ein Thoma Haus verputzt. Da wollte der Kunde nicht irgendeinen Putzer reinlassen, da brauchte er einen gescheiten Lehmputzer.
D: Und wenn Du sagst Thoma Haus, habt ihr dann mit den Bauenden zu tun, die ihr beratet? Also kennt ihr die Leute, für die ihr arbeitet?
H: Ja, die kommen auf uns zu. In Südbayern gibt es nicht viele Lehmputzer:innen, die dann auch größere Geschichten machen. Ein paar Einzelkämpfer:innen gibt es schon, aber wenn der:die Bauende darauf besteht, dass es in einer bestimmten Zeit fertig wird, dann braucht er jemanden, der auch mal was wegreißen kann.
D: Stichwort Einzelkämpfer. Wie erlebt ihr den Nachwuchsmangel? Ihr seid ja jetzt zu zweit.
O: Wir sind 2,5. Wir haben einen Mitarbeiter, der halbtags bei uns ist, also drei Tage die Woche. Wir suchen händeringend mehrere Mitarbeiter:innen.
D: Hermann, magst Du mir mal erzählen, wie Du zum Lehmbau gekommen bist? Was bist Du von “Geburtsberuf”?
H: Ich bin gelernter Maurer. Ich habe dann noch zwei Jahre meinen Meister zum Hochbautechniker gemacht und bin nach Afrika gereist. Nach der Reise habe ich mich 1987 in Wasserburg selbstständig gemacht. Da haben wir zunächst viel Altstadtsanierung gemacht. Ich habe mich immer für biologisches Essen, Bauen und Pflanzenvielfalt interessiert. Das gehört für mich alles zusammen. Dann habe ich 1995 in Hermannsdorf bei der Familie Schweisfurth das erste Mal mit Lehm verputzt. Schweisfurth war damals ein Pionier auf dem Gebiet der ökologischen Metzgerei.

D: Und bist Du jetzt konsequent ökologischer Verputzer oder arbeitest Du auch manchmal noch mit Zementputz?
G: Das ist in Bayern etwas schwierig, konsequent nur mit Lehm zu arbeiten. Es gibt immer mal wieder Zeiten, wo wenig Arbeit da ist und da muss man als Baufirma auch was anderes machen.
D: Magst Du erzählen, wie alt Du bist?
H: Ja, ich bin geboren 1958. Also jetzt 64 Jahre und ich werde noch ein paar Jahre meinen Beruf ausüben.
D: Ja, Wahnsinn, ich bin knapp 40 und kann es mit meinem Rücken jetzt schon nicht mehr. Gratuliere! Und Oskar, Du bist als Hermanns Sohn damit aufgewachsen.
O: Ja, das hat einfach schon immer dazugehört und Spaß gemacht. Ich bin da so rein gewachsen.
D: Hast Du zwischendurch auch einen anderen Beruf ausgeübt?
O: Ne, ich habe direkt Maurer gelernt. Und ja dann halt Meister und Techniker gemacht und jetzt noch Baubiologe beim IBN in Rosenheim.
D: Das IBN ist ja direkt um die Ecke. Habt ihr da Verbindungen? Habt ihr das Gebäude verputzt?
O: Wir hatten die Anfrage, aber wir hatten leider keine Zeit. Wir können leider nicht alles machen. Das ist das Problem.
D: Ihr arbeitet viel. Hermann, wenn du mit 64 immer noch arbeitest, müsst ihr sehr gut organisiert sein, sodass ihr kraft- und energiesparend arbeiten könnt, oder?
O: Ja, wir machen alles, um uns die Arbeitsschritte zu erleichtern. Wir machen viel mit Lader oder Ameise. Auf der Baustelle haben wir außerdem leichte Gerüstböcke aus Aluminium, das ist eine echte Erleichterung.
D: Wie alt bist du, Oskar?
O: 35
D: Und was glaubt ihr, warum findet ihr keinen Nachwuchs? Ihr seid ein modernes Unternehmen, arbeitet mit modernen Baustoffen, habt coole Baustellen, woran mag das liegen?
H: Vielleicht haben die Leute Angst, bei einem Familienunternehmen mitzumachen und zwei Chefs zu haben. Das andere ist die Politik, die suggeriert, wenn man schmutzig von der Arbeit nach Hause kommt, zweitklassig ist.
D: Was arbeiten die Menschen in eurer Region viel? Mir fällt spontan BMW in München ein.
H: Wir haben das Kreiskrankenhaus und die Klinik für forensische Psychiatrie in Wasserburg. Dann haben wir die Inntal-Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung und viel Industrie: Der Joghurt Hersteller Bauer, das ebenfalls konventionelle Milch verarbeitende Unternehmen Meggle. Ein:e ungelernte:r Arbeiter:in bei Meggle verdient bei weitem mehr als ein:e Facharbeiter:in bei uns. Die RKW Gruppe lässt Folien und andere Kunststoffverpackungen in Wasserburg produzieren und die Pharmaindustrie haben wir auch noch mit Recipharm vor Ort. Für eine Stadt mit nur 14.000 Einwohner:innen haben wir also eine Menge Arbeitsangebote da.
D: Das heißt, es ist eine starke Konkurrenz aus der Industrie vorhanden. Was wären Ideen und Anreize an die Politik, etwas zu verändern? Was sagt eure Handwerkskammer?
H: Es wird ja in der Politik viel über den Fachkräftemangel geredet. Da müsste dringend was gemacht werden, aber nichts ändert sich. Die Löhne müssten natürlich erhöht werden, da müssen die Kund:innen dann aber mehr Geld ausgeben. Das wird immer so bleiben. Eine Lehrerin hat ihr Grundgehalt. Die wird nie umrechnen, wie viel sie den Staat pro Stunde kostet. Und du kommst als Handwerker und willst 65 Euro die Stunde haben. Für Lehrer:innen stellt sich die Frage gar nicht.
D: Und wie sieht es aus mit der Wertschätzung eurer Arbeit? Wenn ihr eine Baustelle fertig habt, seid ihr stolz und bekommt ihr vom Kunden auch eine Anerkennung?
O: Ja, die freuen sich immer. Das macht halt Spaß. Du gehst von der Baustelle und alle freuen sich. Wir freuen uns, weil wir eine gute Arbeit gemacht haben und die Kund:innen danken es Dir.
D: Das ist doch ein klarer Vorteil, den ihr gegenüber der Industrie habt. Da produzierst Du irgendetwas stumpfsinnig und weißt nicht, was und wofür und für wen. Ihr bekommt doch eine ganz andere Wertschätzung als Handwerker.
H: Naja, BMW wirbt mit Slogans wie “Freude am fahren” oder “Premiumfahrzeug”. Begriffe wie “Premium” oder “Deluxe” sind nicht geschützt, aber die Arbeiter:innen bei BMW sind durchaus zufrieden und stolz. Sie sind bei BMW “Premium”, auch wenn sie nur eine Nummer sind. Die Industrie schafft es also durch Werbung und Marketing ganz gut, dass die Arbeiter:innen sich gesellschaftlich anerkannt fühlen.
D: Ok, welche Vorteile hat das Handwerk noch? Womit kann man junge Menschen ins Handwerk locken?
H: Ich denke schon, dass das nur über eine bessere Bezahlung geht.
O: Na, Wertschätzung schon auch. Wenn Du Deine Mitarbeiter:innen wie ein Familienmitglied behandelst und am Erfolg des Unternehmens teilhaben lässt, macht das schon sehr viel aus.
D: Und wie ist euer Arbeitsalltag? Also wenn ich mir jetzt vorstelle, ich arbeite in der Industrie, um 9 Uhr klingelt die Glocke und ich muss jetzt 15 Minuten in der Kantine essen, obwohl ich noch keinen Hunger habe. Da ist ein Handwerksbetrieb mit drei Menschen, die zusammen arbeiten, doch viel flexibler und schöner. Kann man mit so etwas auch werben? Wie ist euer Alltag?
H: Ja, wir treffen uns bei uns vorm Büro oder holen die Arbeiter von zuhause ab. Bisher haben wir immer die Anfahrt und das Frühstück bezahlt. Jetzt fahren wir zusammen und machen die Brotzeit um 9 Uhr zusammen im Team. Wir holen was vom Metzger, oder wenn es eine Gaststätte gibt, gehen wir da zusammen zum Essen hin. Die sollte man ja auch unterstützen. Die leiden ja genauso wie wir.
D: Das klingt doch sehr nett.
O: Man will ja auch was sehen, da wo man arbeitet. Du willst ja nicht nur auf der Baustelle sein, sondern die Ortschaft und die Leute kennenlernen. Das ist schon nett.
D: Erzählt doch mal eine Geschichte von einer schönen, spannenden Baustelle. Sucht euch eine aus!
H: Da könnten wir von einer großen Baustelle in der Schweiz erzählen.
O: Da waren wir fast fünf Monate auf einer Hütte. Alle zwei Wochen sind wir für 4 bis 5 Tage heim. Am Wochenende haben wir in der Schweiz eh nicht arbeiten dürfen, da haben wir dann Ausflüge gemacht. Das hat Spaß gemacht.
D: Und was habt ihr da gearbeitet?
H: Ja, das war ein Betonbau. Also haben wir erstmal den Lehmunterputz gemacht, alles mit HP 14 voll gespachtelt. Dann haben wir Lehmgrundputz an allen Wänden und Decken und am Ende Edelputz aufgetragen.
D: Wieviel Quadratmeter habt ihr verputzt?
H: Fast 2000 Quadratmeter. Das war viel Material.
O: Allein drei Lastzüge Grundputz wurden angeliefert und das auf 1300 Meter Höhe. Das war schon spannend.
D: Mit wie vielen Leuten habt ihr das gemacht?
O: Das haben wir größtenteils zu dritt gemacht.
D: Wahnsinn, das ist eine echte Leistung! Und wenn ihr jetzt jemanden einstellen würdet, würdet ihr lieber ausbilden oder einen gelernten Maurer nehmen? Was ist eure Wunschvorstellung?
H: Wir sind zwei Meister und können jederzeit zum Maurer ausbilden. Oder wir suchen halt Maurer:innen oder Helfer:innen.
D: Was sind eure Anforderungen an den Menschen?
O: Es soll halt menschlich passen. Es soll ja ein familiäres Umfeld sein. Man soll ja zusammen Spaß haben. Man geht ja nicht auf die Arbeit, um schlechte Laune zu bekommen, sondern es soll Spaß machen. Es muss halt so rundum passen und ein Team erwachsen können. Die meiste Zeit verbringt man miteinander. Man sieht den Partner oder die Partnerin weniger als die Kolleg:innen. Da sollte das dann schon passen.
D: Ihr seid bekannt für euren perfekten Edelputz. Das macht ihr wirklich herausragend. Auf Instagram seid ihr auch sehr aktiv und teilt viele eurer Baustellen. Ihr macht gute Fotos und seid da bekannt. Wie wertet ihr Instagram für eurer Unternehmen?
O: Das ist eh ein Spaßfaktor. Bringen tut das nicht viel, würde ich jetzt so einschätzen.
H: Es sind die Referenzen, die etwas bringen. Gute Arbeit, gute Referenzen.
D: Glaubt ihr, dass eure Kunden auf Instagram eure Projekte angucken?
H: Teils, teils. Es gab einen Dorfladen. Die haben uns über Instagram kennen gelernt und angefragt, aber wir hatten leider keine Zeit.
D: Könnt ihr euch vorstellen, wenn ein potentieller Mitarbeiter auf euren Instagram Kanal stößt und dann feststellt: “Wow, machen die tolle Arbeit. Das will ich auch!” Wäre das ein Kanal, auf dem ihr Werbung machen könntet?
O: Machen wir auch, aber die bisherigen Zusagen waren immer Teilzeit und wir suchen eine feste Vollzeitkraft. Das wäre ideal. Wir hatten jetzt schon zwei Anfragen von Kleinunternehmen, die ein Gewerbe betreiben und Lehmputz kennen lernen und ein paar Stunden mitarbeiten wollen. Aber das ist eher etwas, was uns weniger bringt, weil wir da unsere eigene Konkurrenz züchten.
D: Hm, da fließt euer Wissen dann einfach ab.
H: Ich mag nicht immer an Konkurrenz denken, aber Leute, die dann für die Hälfte arbeiten, machen natürlich die Preise kaputt. Die sind dann kein Meisterbetrieb und machen das für 35 Euro. Das können wir uns nicht erlauben.
D: Aber Konkurrenz müsst ihr doch gar nicht fürchten. Ihr habt doch echt ein Alleinstellungsmerkmal durch die Qualität, die ihr abliefert. Und mit der Qualität um Mitarbeiter:innen werben? Gibt es junge Menschen, die einfach diesen Perfektionismus teilen? Habt ihr das erlebt? Oder ist das den Leuten eher egal?
O: Also momentan ist es bei den jungen Leuten eher wichtig, dass man viel Freizeit hat und möglichst schnell in den Feierabend kommt. Die Arbeit ist meistens wurscht und das tut halt weh, wenn man diese Arbeit liebt.
D: Wie flexibel wärt ihr denn, wenn jemand kommt und sagt "Hey, ich möchte bei euch die Ausbildung machen und bei euch arbeiten, aber ich möchte Freitagmittag frei haben?”
H: Wir arbeiten eh nur 4,5 Tage. Freitagmittag ist bei uns immer Schluss.
O: Ja, 4-Tage-Woche passt. Wir können über alles reden.
D: Und wie oft kommt es vor, dass ihr so weit weg seid? Das ist ja auch schwierig für mögliche Bewerber:innen z.B. mit Familie. Fünf Monate in der Schweiz, zwei Wochen weg, wie oft ist sowas?
O: Das ist eine Ausnahme. Also in der Größenordnung. Letztes Jahr waren wir in italien, da haben wir das Haus aber nicht komplett grund geputzt, sondern nur ein bestehendes Gebäude innen grundiert und dann Lehm- und Edelputz drauf. Das waren dann 17 Arbeitstage.
D: Na, das ist doch machbar und dann in Italien sein und mittags essen gehen.
O: Ja, die Zeit muss man sich immer nehmen.

D: Mögt ihr noch mal von euren perfekten Oberflächen und Anschlüssen schwärmen? Ich weiß ja, dass ihr ganz viel Designputz verarbeitet und keine braunen, sondern immer farbige Flächen zurücklässt. Was schätzt ihr daran so sehr?
H: Dass die Kund:innen zufrieden sind und das sind sie einfach dann.
O: Wenn man Streiflicht hat und man sieht nichts, nur eine Fläche, die im Sonnenlicht glitzert. Das ist einfach irre schön. Der Putz reflektiert das Licht und die Farben in der Umgebung und schaut zu jeder Tageszeit anders aus. Dieses Lichtspiel im Lehm ist einfach toll. Das bekommt man mit keiner Farbe hin.
D: Ihr habt keinen Maler, mit dem ihr zusammen arbeitet, weil einfach nichts gemalert wird, nachdem ihr da wart, oder?
O: Naja, wenn man jetzt Oberputz grob hat, dann wird das schon nach einer Zeit geweißelt. Wenn man jetzt alles braun hat, dann ist das eher zu dunkel.
D: Kommt das vor bei Euch?
O: Wir haben gerade eine Baustelle, die lässt jetzt erstmal alle Wände braun. Hat halt große Fenster.
D: Wow, da sage ich meinen Kund:innen immer. Das halten sie maximal zwei Jahre aus. Habt ihr noch etwas, das ihr potentiellen Mitarbeiter:innen sagen wollt? Warum muss man mit Lehm arbeiten?
H: Handwerk ist an und für sich schön. Wenn man abends nach Hause geht, sieht man einfach, was man geschafft hat.
O: Und bei Lehm hat man immer gesunde Hände und gesunde Haut. Das ist einfach super, mit Lehm zu arbeiten.
D: Als ich euch damals besucht habe, habe ich danach nur gedacht: Ja, genau so muss man Lehmbau machen. Ihr achtet auf eure Körper, dadurch, dass ihr Werkzeuge und Hilfsmittel benutzt, ihr macht geile Oberflächen, ihr seid ein cooles Team, ihr wisst euch den Alltag zu strukturieren. Ich kann es jedem empfehlen, bei euch zu arbeiten!
O: Ja, danke!