Ich fühle mich auf dem Bau wie in den 50er Jahren
Ein Gespräch über Frauennetzwerke, Geschlechterrollen und Lehmbau



Anna Maas vor dem Lehm-Laden im Oktober 2022

Hallo Anna, schön, dass Du hier bist! Du bist seit 12 Jahren selbstständige Lehmbauerin, hast das diesjährige Treffen der Bauhandwerkerinnen mitorganisiert und engagierst Dich für mehr Sichtbarkeit und Vernetzung von Frauen im Baugewerbe. 

Hallo, vielen Dank für euer Interesse und die Einladung nach Hitzacker!

Seit wann weißt Du, dass Du im Bauhandwerk arbeiten willst? Wer oder was hat Dich dazu bewegt?

Ich hatte in der Jugend weder männliche noch weibliche Vorbilder und bin mehr oder weniger durch Zufall zum Handwerk gekommen. Ich habe das Berufsgrundbildungsjahr Holz in Lüneburg gemacht. Danach habe ich in einer Tischlerei in Potsdam gelernt.

Wie bist Du von der Tischlerei zum Lehmbau gekommen? 

Ich war auf der traditionellen Walz und bin durch die Wanderschaft auf den Lehmbau gekommen. Aber auch da wieder durch einen Zufall, weil mich bei einem Konzert jemand angesprochen hat, ob ich als Lehmbauhelferin arbeiten will. Ich brauchte gerade Geld und dann habe ich über den Job einen Meister kennengelernt, der mir das richtig beigebracht hat. Mir war sofort klar, das will ich machen! Es wäre allerdings falsch zu sagen, ich hätte mich zwischen Holz und Lehm entschieden. In der Tischlerei, in der ich gelernt habe, wurde gar kein Holz verbaut. In Tischlereien werden fast nur noch beschichtete Spanplatten verbaut. Ich habe da mit sehr toxischen Stoffen arbeiten müssen. Im Lackraum habe ich schnell Kopfschmerzen von den Lösemitteln bekommen. Ich bin im Lehmbau geblieben, weil es sich gut, gesund und richtig anfühlt und weil es mir einfach liegt. Die Arbeit ist mir immer gleich gelungen.

Welche Arbeiten bietest Du an? 

Ich bin Verarbeiterin, das heißt: Ich mache keine Abrissarbeiten, ich verarbeite ökologische Dämmstoffe, ich montiere Putzträger, mache den Lehmunterputz (1-5 cm) mit und ohne Armierung und fülle Wandheizungen auf. Außerdem mache ich Ober- oder Feinputz mit und ohne Putzmaschine, gelegentlich noch Edelputz, also eigentlich alles bis zur Maler*in, Malen biete ich nicht mehr an. Ich sehe einen großen Mangel an Verarbeiter*innen. Es gibt keine Betriebe, die offiziell ausbilden dürfen, nur meist mehrwöchige Lehrgänge in Süddeutschland z. B. beim Dachverband Lehm. Gerade für alleinerziehende Mütter ist es schwierig bis unmöglich, da mal eben hinzufahren, um einen Lehmbaukurs zu machen.

Seit wann und warum baust du mit ökologischen Baustoffen?

Wie gesagt bin ich durch Zufall dazu gekommen und sehr glücklich darüber. Es ist einfach so befriedigend mit ökologischen Materialien zu bauen. Am liebsten würde ich nur mit Lehm verputzen. Ich mag die körperliche Erschöpfung und es fühlt sich natürlich und gut an. Viele Kund*innen wollen die Vorarbeiten selber machen, also Dämmen, Putzträger anbringen etc. Und ich gebe Ihnen sehr gerne die Möglichkeit dazu, aber man muss sie auch wirklich intensiv betreuen. Das habe ich sehr früh erkannt, eine gute Beratung ist Gold wert! Hier arbeite ich sehr gern mit dem Lehm-Laden zusammen. David macht eine super Beratung! 

Warum ökologische und nicht konventionelle Baustoffe?

Meine erste Baustelle war Lehmbau und die zweite Sumpfkalk auf einem Strohballenhaus. Das ökologische Bauen ist für mich das normale! Ich kenne die konventionellen Baustoffe fast gar nicht. Ich habe schon mal Fermacell zugeschnitten und das fühlt sich halt unangenehm an. Du hast direkt so einen komischen Staub auf der Haut. Ich bin von Lehmbau überzeugt, aber ich überzeuge niemanden davon. Wenn mir jemand sagt, ökologisches Bauen sei zu teuer, dann antworte ich immer, wenn Du in den nächsten 30 Jahren gesund bleibst, dann hast du auch eine größere Chance, Einkommen zu erwirtschaften. Die Folgekosten bei Ökobaustoffen sind tatsächlich geringer. Da sind zum einen die Kosten für die eigene Gesundheit, zum anderen aber die Kosten, die bei einem konventionellen Gebäude auf die Allgemeinheit oder die nächsten Generationen abgewälzt werden. Lehm muss man nicht entsorgen. Die nächste oder übernächste Generation kann den Putz von der einen Wand auf der anderen direkt wiederverwenden oder einfach auf dem Kompost dem Stoffkreislauf zurückgeben.

Du hast bei einem Mann gelernt. Wann hast Du das erste Mal eine Lehmbauerin  kennen gelernt? 

Ja, ich habe ausschließlich bei Männern gelernt. Ich kann mich nicht daran erinnern, während der Ausbildung mal eine Lehmbauerin kennen gelernt zu haben. Bei dem Bauhandwerkerinnen Treffen 2011 habe ich das erste Mal andere Lehmbauerinnen bzw. Maurerinnen kennengelernt. Damals war die Teilnehmerinnenzahl so bei 40 und heute sind es 120 Frauen*! Dieses Jahr bin ich erstmals in der Vorbereitungsgruppe und habe darüber echt tolle Frauen* kennengelernt. Das sind vor allem Zimmerinnen* und Tischlerinnen*, zwischen 20 und 40 Jahren.

Erzähl uns etwas über das jährlich stattfindende Treffen der Bauhandwerkerinnen. Wie ist es entstanden? Warum ist es so wichtig? 

Das Treffen, das traditionell Ende Februar stattfindet, ist 1984 als Plattform gegen das 1938 vom NS-Regime eingeführte und in der BRD bis 1994 bestehende Beschäftigungsverbot für Frauen im Baugewerbe entstanden. Heute geht es vor allem um Kollektivität und Vernetzung. Es ist grundsätzlich so, dass Frauen sich beruflich zu wenig vernetzen und einander zu oft als Bedrohung oder Konkurrenz wahrnehmen. Das Treffen dient der Weiterbildung und ist als Bildungsurlaub geeignet.

Sind die Gründerinnen noch mit dabei? Geht es bei dem Treffen auch um einen Austausch zwischen den verschiedenen Generationen von Frauen?

Auf jeden Fall! Mit Mittedreißig befinde ich mich irgendwo zwischen der Gründerinnengeneration und der jüngsten Generation. Die Forderungen haben sich mit der Zeit natürlich sehr gewandelt und ich versuche vor allem beim Thema “gendern” zu vermitteln. Die ältere Generation ist da zum Teil überfordert mit der jüngeren und ihrer radikalen Forderung nach einer geschlechtergerechten Sprache. Mir passiert es auch, dass ich versehentlich die grammatisch männliche Form benutze. Wenn ich in einem Gespräch darauf hingewiesen werde, dass mein Sprachgebrauch falsch bzw. diskriminierend ist, bin ich zwar auch manchmal gekränkt, aber dann versuche ich meine Sprache zu verändern und frage aktiv nach, wie ich etwas besser sagen kann.

Du hast gemeinsam mit Kolleginnen einen Stammtisch in Lüneburg gegründet. Worum geht es euch? Wer kann teilnehmen?

Wir haben vor etwa einem Jahr einen Stammtisch für Handwerkerinnen gegründet. Wir treffen uns jeden ersten Freitag im Monat, um uns auszutauschen, kennenzulernen und zu vernetzen. Der Stammtisch ist nicht auf das Baugewerbe beschränkt. Jede Frau im Handwerk kann teilnehmen! 

Woran liegt es Deiner Meinung nach, dass immer noch nur 13% Frauen im Bauhandwerk arbeiten? 

Am Sexismus! Es passiert mir täglich, dass vor allem Männer mir meinen Beruf nicht zutrauen. Ich fühle mich auf dem Bau wie in den 50er Jahren. In der Baubranche herrschen völlig überholte Rollenbilder, womit eine Grundskepsis gegenüber Handwerkerinnen einhergeht. Die handwerkliche Kompetenz von Frauen wird ständig infrage gestellt. Der Sexismus in der Branche ist so alltäglich, das will ich gar nicht schön reden. Mir fällt es eher auf, wenn mein Geschlecht mal kurz keine Rolle spielt und meine Fähigkeit nicht bezweifelt wird.

Wie äußert sich der Sexismus im Baugewerbe vor allem?

Wir bekommen immer ungefra gt Hilfe ange boten. Ich frage gerne nach Hilfe, aber ich will nicht ständig bei meinen alltäglichen Abläufen Hilfe angeboten bekommen. Die sogenannte Lastenhandhabungsverordnung schreibt immer noch vor, dass Frauen regelmäßig nicht schwerer als 10 kg heben dürfen. Das ist in etwa das Gewicht, welches Kinder um ihren ersten Geburtstag erreicht haben. Was ist also mit dem Kleinkind, den Einkäufen, der Wäsche? Care Arbeit beinhaltet sehr häufiges Heben und wäre demnach für Frauen eigentlich auch nicht geeignet. Eine befreundete Tischlerin hat kürzlich eine Treppe, die sie selbst gebaut hat, angeliefert. Auf der Baustelle hat ein anderer Zimmermann die Treppe direkt und ungefragt übernommen und zu ihr gesagt: “So, Du kannst jetzt Kaffee trinken gehen.” Ich könnte leider sehr viele solche Geschichten erzählen. Oft sind es die Väter und Mütter der Kund*innen, die ihren Kindern beim Bauen helfen und jenseits der 60 sind. Meine 13-jährige Praktikantin hat vor Kurzem Werkzeug gewaschen und einer der Väter sagte doch tatsächlich zu ihr: “Willst Du nicht lieber in der Küche abwaschen gehen?”

Wie reagieren die Kinder in so einer Situation? Was erlebst Du in den jungen Familien im Hinblick auf Geschlechterrollen? 

Meine Kund*innen sind oft heterosexuell monogame Paare. Ich werde also tagtäglich mit klassischen Familienstrukturen konfrontiert. Die Frauen leisten die unbezahlte Carearbeit, also kochen, putzen und betreuen die Kinder, während die Männer handwerklich mitarbeiten. Ich habe gerade viel Zeit mit einer Familie verbracht. Wenn wir uns bei ihr für das tägliche Mittagessen bedankt haben, konnte sie diese Wertschätzung nicht annehmen, ihre Arbeit sei doch nicht wichtig, wir und ihr Mann würden doch die harte Arbeit auf der Baustelle machen. Sie hat ihren Mann dann so lange gelobt bis sich niemand mehr daran erinnern konnte, dass es gerade um ihren Verdienst ging, und die Schwiegermutter hat sie bestärkt, wie großartig ihr Sohn ist. Das kann doch nicht wahr sein! Was sie im Hintergrund leistet, mit zwei Kleinkindern für zehn Leute kochen, das soll erstmal einer von den Männern nachmachen. Was mich aber am meisten ärgert ist, dass die Kundinnen nicht in gleichem Maße Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen dürfen wie ihre Männer. Zu oft kommen sie erst bei der Wahl der Wandfarbe ins Spiel. Ich weiß nicht, wie oft es mir schon passiert ist, dass ich die nächsten Arbeitsschritte mit einer Frau besprochen habe, wir uns einig waren und dann kommt plötzlich ein Mann - der Bruder, Ehemann, Nachbar oder Schwiegervater - dazu, der behauptet, dass was ich gerade in seiner Abwesenheit beraten habe, vielleicht nicht stimmt. Die Frauen, die schon überzeugt waren, lassen sich wieder verunsichern durch ihre Männer. Wieso zählt es nicht, wenn eine Frau sagt, eine andere Frau macht etwas richtig? Wieso wird das stets nochmal in Frage gestellt? Wieso muss immer nochmal ein Mann dazu kommen und sagen, dass das wirklich so ist ? Oft fordern die Frauen, die in diesen männlichen Strukturen gefangen sind, es selbst, dass der Mann alles nochmal bestätigt und abnickt. 

Wann und wie übst Du Kritik? Und wie wird auf sie reagiert?

Das Sexismus-Problem wird häufig abgetan. Wenn ich unzufrieden bin, muss ich etwas ändern, damit es mir besser geht. Aber ich kann ja nichts ändern daran, dass der Vater meines Kunden meine Praktikantin sexistisch diskriminiert. Mir wird ganz oft gesagt, dass ich mir das doch ausgesucht habe und folglich selber dafür verantwortlich bin. Nein, habe ich nicht. Es stört mich. Sexismus ist kein persönliches, sondern ein strukturelles Problem, das uns alle betrifft!

Welche anderen Strategien hast Du mit den Jahren entwickelt? 

Ich spiele viel mit der Aneignung und humorvollen Umkehrung bestehender Geschlechternormen. Beispielsweise war ich vor einer Woche auf einer Baustelle, auf der drei Frauen und ein Mann gearbeitet haben. Als ich ihn morgens auf dem Baugerüst gesehen habe, habe ich zu ihm gesagt: “Oh, das ist aber schön, dass jetzt auch Männer auf Baustellen arbeiten. Das finde ich echt gut. Da haben wir mal was zu gucken. Aber ups, wir haben ja gar keine Männertoiletten. In meiner Firma gibt es auch immer mal einen Quotenmann, obwohl ich schon lieber in Flinta*-Teams arbeite.” Ich laufe auch gern über die Baustelle und rufe: “Ich suche vier fleißige Männer oder eine starke Frau, die mir mal kurz hilft.”

Du arbeitest am liebsten auf Frauen* bzw. Flinta* Baustellen. Warum? Was ist anders, wenn ausschließlich Flinta* zusammenarbeiten? Und was bedeutet überhaupt Flinta*?

Flinta* steht für F rauen, L esben, i ntersexuelle, n icht-binäre, t rans und a gender Personen, also für alle, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Zum Einen habe ich gemerkt, dass ich, wenn ich mit Flinta* arbeite, souveräner und schneller auf sexistische Handlungen und Aussagen reagieren kann. Gemeinsam können wir Sexismus viel besser erkennen und benennen. Zum anderen habe ich einfach so viele gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Frauen gemacht. Frauen und vor allem Mütter können  ihre Aufgaben sehr gut organisieren und strukturieren. Sie können oft weniger Stunden arbeiten als Männer, aber in dieser kurzen Arbeitszeit bringen sie nicht selten mehr Leistung als ein Mann, der in Vollzeit arbeitet.

Was würdest Du Dir wünschen im Hinblick auf mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Baubranche? 

Wir brauchen generell mehr Sichtbarkeit von Frauen und die Anerkennung ihrer Leistung. Frauen müssen viel mehr leisten, um die gleiche Anerkennung wie ein Mann zu bekommen. Das muss sich ändern! Frauen und Mädchen sollten explizit angesprochen werden, damit sie den Weg ins Handwerk finden. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen, und zwar nicht nur die Klassenbesten mit Auszeichnung! Außerdem brauchen wir dringend einen Mutterschutz für Gründerinnen. Gerade für Handwerkerinnen, die einen eigenen Betrieb führen, bedeutet eine Schwangerschaft eine finanzielle Katastrophe.

Erzähl uns etwas über Deine aktuellen Baustellen? Woran arbeitest Du gerade?

Es gibt eine Fachwerksanierung in einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus bei Dahlenburg. Das Fachwerk ist bereits saniert worden von Zimmermenschen und Maurer*innen. Zuerst haben wir die ganze Schicht mit Lehmputz ausgeglichen und da kommt jetzt eine 6 cm dicke Holzweichfaserplatte zur Innendämmung dran. Die Montage machen Lehmbauer*innen oder Zimmer*innen, die bei mir arbeiten. Die Platte wird mit der Handkreissäge zugeschnitten und anschließend mit Schlagbohrmaschine und Lehmklebemörtel an der Wand befestigt. Am Ende kommt dann der Lehmputz drauf. Die Außenhülle wird dicht gemacht, also gedämmt und verputzt. Und dann gibt es noch ne Menge alter historischer Decken, wo die Kund*innen jetzt die Oberflächen runter machen, also jede Menge alte Farben. Wenn der Putz runter kommt, repariere ich das fachgerecht. Außerdem gibt es noch Fachwerk an den Innenwänden, da wird zum Teil Reet getackert und verputzt. Das Reet habe ich auch im Lehm-Laden gekauft. Es gibt aber auch Fachwerkwände, die sichtbar bleiben sollen. Da werden dann nur die Fächer mit Lehm verputzt. Zuletzt gibt es noch ein paar Dachschrägen, wo Lehmbauplatten dran kommen.

Wir beginnen tatsächlich noch im November mit dem Arbeiten, das geht aber nur, weil schon eine Fußbodenheizung drin ist und wir die für die Trocknung benötigte Temperatur halten können. Es ist noch relativ neu, dass wir im Winter arbeiten. Die Winter werden immer wärmer, sodass man die Trocknung gut kontrollieren kann. Ich finde es trotzdem herausfordernd, die Kund*innen müssen gut aufgeklärt sein, dass man auf einer Winterbaustelle hohe Energiekosten hat. Derzeit müssen sie bestimmt 1000 - 2000 € mehr einplanen, wenn sie von Dezember bis Februar verputzen wollen. Mehrkosten kommen durch Bautrockner, Heizlüfter, viel Beleuchtung und die Heizkosten in dem noch ungedämmten Haus zustande. Allein der Stromverbrauch für die Trocknung des Lehms kostet ca. 80€ am Tag.

Wie ist Dein Verhältnis zum Lehm-Laden? Seit wann kennst Du David? Wie habt ihr euch kennengelernt? Erzählst Du uns etwas über die Geschichte eurer Freundschaft?

Als wir uns vor 11 Jahren kennengelernt haben, haben wir gerade beide unsere Familien gegründet. Immer wenn ich arbeiten konnte, habe ich mit David zusammengearbeitet. David hatte größere Baustellen, wo ich als Subunternehmerin im Reisegewerbe einsteigen konnte. Er hat immer zu mir gesagt: “Anna, ich will einen Onlineshop aufmachen. Ich will mit diesen Stoffen handeln und baubiologische Beratung machen.” Wir haben gemeinsam herausgefunden, wer wir sein wollen: Händler und Verarbeiterin. Mit den Jahren ist eine wertvolle Geschäftsfreundschaft entstanden. Ich freue mich, dass wir zusammen groß geworden sind und unsere Kinder auch. Dieses Jahr kann ich endlich mit zur Fachmesse Lehmbau fahren. David hat mich jedes Jahr gefragt und es ging halt nie wegen fehlender Kinderbetreuung. David ist einer der wenigen Männer in der Branche, der mich unabhängig von meiner Geschlechtsidentität immer direkt anerkannt hat. 

Außerdem kennt er sich einfach sehr gut aus. Manchmal lasse ich mich selbst nochmal beraten und gebe das Wissen anschließend an meine Kund*innen weiter oder ich schicke sie direkt zum Lehm-Laden. Neuerdings ist das gar nicht mehr nötig. Kunden*innen informieren sich jetzt schon im Vorfeld beim Lehm-Laden. Wenn wir danach auf die Baustelle kommen, wissen die schon, was sie alles in Eigenleistung machen, welche Lehmbauplatte und Unterkonstruktion sie nehmen, wie sie die Wände vorbereiten müssen, sodass wir nur noch verputzen müssen. Sie wissen auch schon, welchen Putz und wie dick. Die ganze Vorberatung hat schon stattgefunden. Genauso haben David und ich uns das, glaube ich, immer gewünscht. Diese gute Zusammenarbeit erleichtert mir meine Arbeit total. Ich muss nicht mehr erklären, wie man eine Wand vorbereitet: alte Farben runterkratzen, Grundierung auftragen, Putzträger anbringen etc. Das sind so Arbeitsschritte, die David und sein Team am Telefon so gut beraten haben, dass die Baustellen jetzt viel besser vorbereitet sind. Die Möbel sind raus, das Abdeckzeug wurde beim Lehm-Laden gekauft und ausgelegt. Das ist richtig schön. Wir können auch wieder kleinere Aufträge annehmen, weil die Leute bestens vorbereitet sind.

Die Kund*innen kriegen richtig viel Aufmerksamkeit im Lehm-Laden! Frauen werden genauso wie Männer ohne Vorurteile beraten. Das ist in der Baubranche leider nicht normal. Frauen wird in der Regel gesagt, das kannst du halt eh nicht. Es ist mir schon passiert, dass ich in meiner Kluft in einem herkömmlichen Baumarkt stehe und mir ein Mitarbeiter ungefragt eine Schraube erklären will! Sowas wäre im Lehm-Laden undenkbar. Da erleben alle, dass sie es selber machen können und sich das zutrauen können!

Was und wofür hast du heute eingekauft? 

Ich habe Kalk-Haftputz und Lehmklebe- und Armierungsmörtel gekauft. Den Kalk-Haftputz werden wir im Badbereich auf den Dämmplatten aufbringen. Darin wird dann das Gewebe eingebettet. So bekommen wir eine stabile und tragfähige Unterlage für den Kalk-Edelputz. Diesen werde ich bei der nächsten Lieferung mitbestellen. Den Lehmklebe- und Armierungsmörtel verwenden wir zum Ankleben der Dämmplatten und für die Gewebelage auf den Dämmplatten. Den Kalk verwenden wir in den Feuchträumen, den Lehmkleber in allen anderen Wohnräumen. Auf den Kleber tragen wir dann als Endbeschichtung am liebsten den Conluto Terra fein auf.

Hast du ein Lieblingsprodukt im Lehm-Laden? 

Auf jeden Fall den Conluto terra fein! Der Lehmputz von Conluto ist maschinengängig, kann mit der möglichen Schichtstärke von 4 mm noch kleine Unebenheiten ausgleichen und macht immer eine schöne Oberfläche. Wir reiben den Terra fein mit einem harten Reibebrett oder einer Reibemaschine. Abschließend wird dann, meist in Eigenleistung, die Conluto Lehmfarbe aufgetragen. Oder ich mache noch den Edelputz von Conluto. Das ist eine 2 mm dünne Lehmputzbeschichtung, die ist richtig schön. Die Oberfläche machen wir da am liebsten mit einem feinen Latex-Schwammbrett. Dadurch bekommt der Putz eine ganz feine Struktur.

Liebe Anna, Danke für Deine Zeit!

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Wie sich der Lehmbau weiterentwickelt hat.