Wenn man den Weg einmal einschlägt, möchte man nicht mehr zurück
Netzwerk und Naturfarben im Malerhandwerk


Helmut Schamberger, Maler und Verarbeiter aus Außerfern im Westen Österreichs, verbindet eine lange Freundschaft mit David Feldbrügge und eine konstante Kooperation mit dem Lehm-Laden. Auf der Denkmal Messe haben sie sich jüngst wieder einmal getroffen. Hier sprechen sie über ökologische Farben im Malerhandwerk.

Lieber Helmut, schön, dass du gleich nach der Messe Zeit gefunden hast, nochmal in Ruhe über deine Arbeit zu sprechen.

Im Malerhandwerk sind nicht-ökologische Produkte ja sehr verbreitet; verarbeitest du in deinem Betrieb nur ökologische Produkte oder kommen auch mal konventionelle Farben zum Einsatz?

Ich arbeite auch mit konventionellen Farben, aber schon sehr wenig. Ich freue mich, dass ich die Dispersionsfarbe auf ein Minimum reduziert habe. Mein Hauptaugenmerk liegt auf Kalkputzen und ich verarbeite ein bisschen Lehm. Wenn ich Anstriche mit Sumpfkalkfarben mache, beispielsweise von Kreidezeit, das ist sehr dankbar zu verarbeiten und ergibt immer ein schönes Resultat.

Ich bin so aufgestellt, dass ich meistens kleinere Flächen bearbeite, nicht tausende Quadratmeter. Aber da rutscht dann ab und zu mal etwas Konventionelles rein. Das sind vielleicht alte, nette Kunden, wo man schon mal ein Auge zudrücken kann. Und dann weiß ich auch direkt, wieso ich eigentlich die ökologischen Sachen verarbeite, wenn ich die Arbeit mit den konventionellen Farben mal wieder sehe.

Du hast dann also auch gar kein gutes Gefühl dabei?

 Das ist schon der komisch süßliche Geruch. Teils lassen sich die Konventionellen natürlich komfortabel verarbeiten. Aber wirklich gut ist es nicht. Es kann ja nicht sein, dass man bei der Arbeit immer mal wieder die Luft anhalten oder lüften muss. Auf der Baustelle frisch geseiften Kalk zu riechen oder eine Dispersionsfarbe, das kann man einfach nicht vergleichen.

Das Malerhandwerk ist eines der Gewerke, wo sehr viel Bauchemie verarbeitet wird. Vielleicht kommen noch Fliesenleger daran oder die Bereiche Verputz und Abdichtung. Aber hier geht es ja um die ganzen Oberflächen, die den menschlichen Wohnraum kreieren. 

Ja richtig, mit der Raumluft ist das sozusagen ein direkter Kontakt.

Was machst du in deinem Betrieb? Bedienst du Endkunden, die ihr Haus schon bewohnen, indem du ihnen die Häuser sanierst?

Teils, teils. Es ist einerseits punktuell, wenn die Menschen schon darin wohnen, und ich das Wohn-, Schlaf- oder Kinderzimmer mache. Oder auf der anderen Seite der Neubau: Die sich es leisten wollen, die kriegen dann alles in ökologischer Ausführung. Wo man zum Beispiel einfach mit dem Hessler, Gewebe und Kalkhaftputz durchgeht und eine schöne Oberfläche macht. 

Und Häuslebauer, die ihren Innenausbau selber machen wollen, kommen auch regelmäßig zu mir, um sich einfach mal beraten zu lassen, welche Möglichkeiten es gibt. Dann stelle ich drei, vier Varianten auf, sei es der etwas aufwendigere Lehm, etwas einfacher der Kalk oder wenigstens der reine Anstrich. Dann entscheiden die Leute, was ihnen am ehesten entspricht. Ich stelle das Material zur Verfügung, und falls es gewünscht ist, komme ich noch mit Rat und Tat auf die Baustelle, arbeite mal kurz mit, gebe Tipps. Und erst wenn sie dann genug wissen und sich sicher fühlen, gehe ich wieder und bin aber immer noch telefonisch für Fragen da.

Ja, das ist auch immer schön. Ich hab oft die Erfahrung gemacht: Wenn die Bauherrschaft mitarbeitet, schätzt sie die Arbeit viel mehr, weil man einfach weiß, wie viel Arbeit da drin steckt. Und auch die Fehlertoleranz steigt.  

Ja, wir schätzen das alle dann.

 Nochmal zurück zu deinen Baustellen. Du hast ja gesagt, du machst Neubau, du sanierst aber auch, wenn die Leute schon drinnen wohnen, und du arbeitest mit den Kunden zusammen. Was machst du denn davon am liebsten?

 Pah. Gute Frage. Das ist eigentlich alles schön und hat alles was für sich. Am spannendsten ist es ja, wenn man einen offenen Kunden hat. Dann ist der Neubau meistens auch interessant, wenn man sich gestalterisch einbringen kann und nicht nur alles von vorn bis hinten weiß gemacht wird. Das hat schon seinen Reiz.

Aber auch die Sanierung ist natürlich ganz toll: Der Raum ist ja eigentlich der gleiche, und doch wieder nicht. Wenn man reinkommt, erkennt man ihn oft gar nicht wieder, auch vom Feeling und von der Energie, die er dann ausstrahlt. Da hat man, glaube ich, fast mehr Vorher-Nachher-Effekt als im Neubau. Wenn die Kunden vorher ihren alten Raum kannten und dann den neuen für sich entdecken, sind sie nochmal ein bisschen begeisterter.

Und auch mit den Leuten zusammenzuarbeiten, das hat eigentlich alles was für sich. Ich möcht jetzt nicht nur eines davon das ganze Jahr über machen. Abwechslung macht das Leben schön, gell? Breit aufgestellt zu sein, das hat schon was für sich. Man bleibt immer dicht am Material. Das ist der rote Faden, der sich durchzieht.

Was würdest du einem Maler, der von Dispersionsfarbe weg will, als einfachsten, wichtigsten ersten Tipp mitgeben, wenn er sich auf den Weg machen möchte, ökologische Produkte zu verarbeiten? Auf was soll er achten? Und welche sind deine Argumente, mit denen du bei der Kundschaft für Ökofarben am besten werben kannst? 

 Es ist natürlich die Reinheit des Materials an sich. Das ist ja das Hauptargument, das die Kunden schätzen, ganz gleich, ob sie es machen lassen oder selber machen. Wem das wichtig ist, dem sind der Mehraufwand bzw. die Mehrkosten es wert. Der Auslöser ist oftmals ein Problem. In jedem Haus gibt es Problemecken wie die Fensterleibungen, die mit nichts in den Griff zu kriegen waren. Und wenn beispielsweise eine giftfreie Schimmelsanierung funktioniert, dann ist das schon überzeugend. Der Anfang ist gemacht, und oft möchten die Kunden, die einmal Ökofarbe haben, nicht zurück.

Nochmal zu dem ganz normalen Maler, der immer Dispersionsfarbe nimmt und mit Gips rumspachtelt: Was würdest du ihm sagen? Würdest du ihn auf deine Baustelle einladen, um bei dir mal mitzumachen, und ihm zeigen, wie es anders geht?

Ja, klar. Im Moment verputze ich mehr, als dass ich male. Ich bin kein reiner Maler.

Stell dir vor, der Untergrund ist eh schon ausgeflickt, da sind nur Schlitze drin und Risse. Und bevor er jetzt mit dem Standard aus dem Baumarkt anfängt, sage ich ihm: Probier doch mal das. Wie toll und fein die Sachen dann sind. Und zu zeigen: Das geht heute nicht kaputt, du kannst damit morgen weiterarbeiten. Es ist schön, wenn man die Leistungsfähigkeit von so Produkten demonstrieren kann. Zum Beispiel: Ein guter Untergrund ist vorbereitet und du gehst dann mal mit Wasser drüber und siehst, wie es ssssst macht – und der Wassertropfen ist weg. Und auf der anderen Seite ein schlechter Untergrund, wo du mit Wasser drangehst und als Resultat eine Pfütze am Boden stehen hast. Und der gute Untergrund ist nur unwesentlich teurer als das 0815-Zeug aus dem Baumarkt. Und die Fertigkeit ist ja auch da: Du kannst die Traufel richtig halten, musst nur zwei, drei Sachen beachten und ein bisschen anders machen. Da wäre ich natürlich schon Feuer und Flamme.

Momentan arbeite ich allein und meine zwei Hände sind begrenzt, daher finde ich Bauherrenprojekte so schön: Da hat man wieder viele Hände. Und mir geht es ja darum, dass möglichst viele Leute von diesen Sachen profitieren. Ich möchte mein Wissen sehr gern teilen. Da bin ich immer offen. Wenn einer neugierig ist, sag ich immer: Komm mit. Ich bin nicht die Henne auf dem Ei, die alleine vor sich hin brütet, und habe da kein Konkurrenzdenken in dem Sinne. Schön, wenn es mehr werden. Der Markt wächst, es ist also noch genug Platz für andere.

Das ist schön und in der ökologischen Baubranche auch sehr verbreitet. Ich höre das immer wieder. Konkurrenzdenken gibt es eigentlich nicht. Jetzt haben wir ganz viel über Wandoberflächen gesprochen, machst Du auch Holzoberflächen, also Holzfußböden, oder arbeitest Du auch im Außenbereich?

Ja, wenn ich außen schon mal holzmäßig was mache, dann bin ich schon mit den Ölen unterwegs. Vor allem im Fensterbereich schaue ich, dass die Altbeschichtungen wirklich restlos entfernt sind, und erst dann wird die Oberfläche mit Öl neu aufgebaut. Längerfristig wird dadurch die Instandhaltung um vieles einfacher. Einmal den Mehraufwand wagen, und dann gehts wirklich einfacher weiter. Und Fassaden? Ja, das eine oder andere Mal nehme ich die Silikatfarben von Beeck, je nachdem, was der Untergrund hergibt. Böden ölen oder verlegen, das macht der Maler in Österreich eigentlich nicht.

Welche Farbe würdest du denn einem Selbstausbauer empfehlen? Lehm-, Kalk- oder Silikatfarben? 

Ich argumentiere immer ganz gerne für die Silikatfarbe, weil sie das Rationale mit sich bringt. Lehmfarben sind auch toll. Da hat man einen kleinen Mehraufwand, aber sie sind zügiger zu verarbeiten als die Sumpfkalkfarben. Die lassen sich schon bitten, weil man einfach auf die Bürste angewiesen ist. Da kann man die Rolle nicht mehr verwenden.

Du arbeitest also am liebsten mit der Rolle?

 Ja, schon. Aber die schönste Oberfläche entsteht natürlich mit der Bürste. Schön im liegenden Achter. Wenn man zu zweit ist, kann einer mit der Rolle auftragen und einer mit der Bürste hinterher verschlichten. Oder dünn mit der Rolle und dann nochmal das Finish mit der Bürste, weil es so schön ist zum Ausbessern, wenn man mal ein Jahr oder zwei drinnen wohnt. Das gibt eine Wolkigkeit und den größten Charme.

Das ist auch immer meine Empfehlung. Ich liebe diesen Kreuzschlag und die dabei entstehende schönegleichmäßig-ungleichmäßige Struktur. Und bei den Silikatfarben? Auf welchen Hersteller setzt du da? Mit welchen Farben arbeitest du viel?

Schon mit der Biosil von Keim. Obwohl ... jetzt nach der Messe hole ich auf jeden Fall mal eine Charge Beeck, nicht nur für die Fassade, sondern auch für innen. Die kostet einen Euro mehr, aber das ist es sicher wert. Aber man ist halt ein Gewohnheitstäter. Und wenn man ein Produkt schon in verschiedensten Situationen eingesetzt hat und es genau kennt, fühlt man sich dementsprechend in einem gelingsicheren Bereich. Herstellerwechsel sind da immer eine gewisse Hürde. Obwohl die Umstellung von der einen hochwertigen Silikatfarbe zu einer anderen hochwertigen Silikatfarbe sicher nicht so groß ist, wie wenn ein konventioneller Maler von Dispersions- auf Lehm- oder Kalkfarbe umsteigt. Das ist schon eine andere Challenge.

Als ich damals angefangen habe, mich mit diesen Sachen auseinanderzusetzen, waren das schon viel Lesearbeit, Recherchen und Ausprobieren, obwohl ich immer offen und interessiert an ökologischen Baustoffen war. Da habe ich mich schon rantasten müssen, vor allem wenn es dann perfekt werden soll. Von der Grundierung vom gleich saugenden Untergrund bis hin zur fertigen Oberfläche – das ist schon alles anders. Du musst die ganzen Details neu überlegen: Acrylfuge als Standard ist dann plötzlich nicht mehr die Wahl. Umdenken musst du und in Kauf nehmen, dass alles etwas mühseliger ist. Aber das macht ja auf lange Sicht Sinn.

Magst du  mir noch etwas zu Wärmedämmverbundsystemen erzählen? Welche Ansätze hast du da, Innen- oder Außendämmung? Was siehst du als ökologisch sinnvolle Lösung an? 

Naja, im Neubau ist klar, dass man auf sowas möglichst verzichtet. Wenn es schon am ganzen Haus dran ist, stellt sich die Frage, ob sich jemand den Rückbau wirklich antut und das Zeug da runterholt. Innendämmung ist schon eine Lösung, aber bei uns nicht sehr verbreitet. Wir haben leider nicht so viele schöne alte Fachwerkhäuser und andere erhaltenswerte Fassaden, wo man das Haus dann „häppchenweise“ dämmen kann. Ich habe mal eine schlecht sanierte Mietwohnung von innen mit Kalziumsilikatplatten gedämmt, aber generell kommt das hier nur selten vor. Privat habe ich mit Hanfsteinen gebaut und das Dach mit Holzwolle gedämmt. Beruflich mache ich das nicht. Größere Betriebe machen Vollwärmeschutz und Trockenbau.

In Deutschland sind viele Unternehmen mit ihrer Arbeit am Limit und finden keine Fachkräfte – und in Österreich? Wie würdest du die wirtschaftliche Situation des österreichischen Handwerks einschätzen? Wie ist Deine Auftragslage? Hast Du viel Arbeit? Hast und/oder findest du Angestellte?

Ähnlich. Trotz der Umstände, dass es sich jetzt wieder etwas dreht mit der Finanzierung und allem. Beim Bau und dergleichen wird die Luft dünner. Aber der Maler ist ja breit aufgestellt. Man ist ja auch in bewohnten Wohnungen als Sanierer und Verschönerer tätig. Da schlägt es natürlich nicht so gravierend durch, als wenn man nur auf Neubau angewiesen wäre. Aber auch hier heißt das branchenunabhängige, dominante Problem: Es gibt mehr Arbeit als gute Fachkräfte. Ich bin froh, dass ich Einzelkämpfer bin. Wir haben uns hier organisiert: Wir sind ein kleines Einzugsgebiet hier in Tirol, auf der einen Seite die deutsche Grenze, auf der anderen Seite die Gebirgskette. Wir sind hier ziemlich eigenbrötlerisch, darum heißt es wahrscheinlich auch Außerfern. In diesem kleinen Mikrokosmos haben wir in einer kleinen Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden. Es gibt zwei, drei andere, man schließt sich kurz, wenn es etwas Größeres gibt und ob wir das gemeinsam realisieren wollen. Das funktioniert gut und verlässlich. Und nach dem Projekt geht jeder wieder seiner Wege.

Wie organisiert ihr dieses Netzwerk? Holt einer den Auftrag ran und macht die Absprachen mit dem Kunden? Und der eine arbeitet beim anderen auf Stundenlohn? 

Am besten ist es, wenn es von Auftraggeberseite möglich ist, dass jeder direkt abrechnet. 

Direkt mit dem Kunden?

Ja. Teils, teils. Entweder nimmt man jemanden schon mit rein in die Abrechnung und kriegt also vom befreundeten Betrieb eine Rechnung. Oder jeder rechnet direkt ab. Wir arrangieren das je nach Konstellation und Kunden. Für Gewährleistung wollen viele zum Beispiel einen Ansprechpartner und nicht drei. Und es gibt häufig einen, über den das Material läuft, das bin dann meistens ich.

Wie siehst Du die Tendenz? Jetzt zeigt sich das ja gerade, dass es wirtschaftlich vielleicht wieder ein bisschen bergab geht und der große Bauboom vorbei ist. Glaubst du, dass in diesem Abflauen auch der Boom von ökologischen Baustoffen zurückgeht, dass er gleich bleibt oder trotzdem oder deswegen sogar zunimmt?

Die Tendenz steigt. Dieser Markt ist ja im Verhältnis noch ein kleiner Randteil. Ich denke schon, dass es beim Wachstum bleiben wird, da bin ich mir eigentlich sicher. Man hebt sich ja ab vom üblichen Mitbewerber und hat einen Mehrwert. Wenn man die Kopie von der Kopie der Kopie ist, tut man sich sicher schwerer, für die Arbeit noch brauchbare Preise zu erzielen, also preis-wert zu sein. Wenn man aber mehr in die Tiefe geht, so wie du mit dem Lehm-Laden, du gehst jetzt vor der Grundsubstanz vom Bauen. Da haben natürlich die ökologischen Sachen den allergrößten Vorteil. Es wird vielleicht noch etwas als Luxus betrachtet, wenn man ein „konventionelles“ Gebäude mit ökologischen Baustoffen aufwertet.

Vielen Dank für deine offenen Worte und für deine offene Lebens- und Arbeitseinstellung. Es ist toll und wichtig, wenn Menschen aus dem ökologischen Bauen anderen die Hände reichen, und ihnen in dieses weite und vielschichtige Feld rüberhelfen, wo noch viele weitere Hände und Köpfe gebraucht werden.

Ich fühle mich auf dem Bau wie in den 50er Jahren
Ein Gespräch über Frauennetzwerke, Geschlechterrollen und Lehmbau